Heute kommt die wichtigste Nachricht aus Aserbaidschan.
Dort hat Aserbaidschan begonnen, Minenräumgeräte für den zivilen Einsatz an die Ukraine zu liefern – ein humanitärer Schritt, den Russland sofort als Verrat wertete und nun in Richtung einer offenen militärischen Konfrontation eskaliert. Was als Geste der Hilfe begann, hat eine Welle russischer Drohungen ausgelöst: Staatliche russische Medien stellen offen die Staatlichkeit Aserbaidschans infrage, während russische Truppen sich an der Grenze sammeln – offenbar in Vorbereitung auf einen möglichen Zwei-Fronten-Krieg im Kaukasus.

Kürzlich lieferte Aserbaidschan ein selbst entwickeltes militärisches Gerät an die Ukraine: das Vozrozhdenie-P, eine Minenräummaschine, die zur Räumung bereits befreiter Gebiete in den Regionen Cherson und Charkiw eingesetzt werden soll. Diese Kooperation fällt unter die Bemühungen um humanitäre Minenräumung, und beide Regierungen bezeichnen die Lieferung als eine gemeinsame Initiative zum Schutz der Zivilbevölkerung.


Die übergeordnete Botschaft ist klar: Angesichts wachsender Spannungen mit Russland zeigt sich die Regierung in Baku – wie auch die Bevölkerung – zunehmend offen für eine Annäherung an die Ukraine. Die Hilfe ist ausdrücklich nicht dazu gedacht, ukrainischen Truppen bei Durchbrüchen durch russische Verteidigungslinien zu helfen. Vielmehr dient sie der Entminung von Städten, die bereits von Russland befreit wurden – auf insgesamt rund 139.000 Quadratkilometern gelten weiterhin Flächen als vermint.


Dieser Unterschied ist zwar bedeutsam – doch für Moskau spielt er keine Rolle: Jede Form der Hilfe für die Ukraine wird dort als feindlicher Akt betrachtet.

Russische staatsnahe Medien haben begonnen, Aserbaidschan mit der Ukraine zu vergleichen – beide seien „künstliche Konstrukte“, die aus dem Zerfall der Sowjetunion hervorgegangen seien. Diese Narrative sprechen Aserbaidschan offen die historische Legitimität ab und erinnern an dieselbe ideologische Rhetorik, mit der auch die Invasion der Ukraine begründet wurde. Zudem werden alte Debatten um ethnische Minderheiten in Aserbaidschan, insbesondere die der Lesgier, neu entfacht – Teil einer wachsenden Informationskampagne, die die innere Stabilität Aserbaidschans in Frage stellen und Unruhe stiften soll. In der russischen Staatslogik wird Souveränität nur jenen zugestanden, die Moskau loyal bleiben – und Aserbaidschan hat diese Grenze nun überschritten. Die Unterstützung der Ukraine – so humanitär sie auch gemeint ist – stellt Aserbaidschan in eine Reihe mit Georgien, Moldau und der Ukraine: ehemalige Sowjetrepubliken, die nun als potenzielle Gegner behandelt werden.

Während Russland die Legitimität des aserbaidschanischen Staates in Zweifel zieht, verstärkt es zugleich seine militärische Präsenz in Armenien: Truppen aus Rostow, Wolgograd und der Krim werden zur russischen Basis in Gjumri verlegt. Dies dient zwei Zwecken: Zum einen soll Armenien unter Druck gesetzt werden, den russischen Einflussbereich nicht zu verlassen – obwohl Premierminister Nikol Paschinjan zuletzt die OVKS kritisierte und einen Austritt erwägt.

Zum anderen positioniert Moskau seine Truppen für einen möglichen Zweifrontenangriff auf Aserbaidschan, dessen Norden und Westen durch Bergketten geschützt sind. Die Botschaft ist eindeutig: Jeder Versuch von Aserbaidschan oder Armenien, sich weiter dem Westen zuzuwenden oder die Ukraine zu unterstützen, wird als Bedrohung der russischen Dominanz im Südkaukasus gewertet. Während Armenien die OVKS noch nicht verlassen hat, bereitet sich der Kreml offenbar auf ein Szenario vor, in dem er militärisch eingreifen muss – selbst wenn das bedeutet, Armenien als vorgeschobene Operationsbasis gegen Aserbaidschan zu benutzen und damit faktisch als Geisel zu halten.

Auch innerhalb Aserbaidschans wandelt sich die Medienlandschaft. Die staatliche Nachrichtenagentur Azertag veröffentlicht nun Berichte über russische Kriegsverbrechen in der Ukraine – etwa über die Gräueltaten in Butscha und anderen befreiten Städten. Lokale Medien greifen diesen Tonfall auf und berichten zunehmend über russische Drohnen- und Raketenangriffe auf zivile Ziele. Der Krieg wird als Angriff Russlands auf die Menschlichkeit und die ukrainische Staatlichkeit dargestellt.

Das markiert eine deutliche Wende: Auch wenn aserbaidschanische Medien nie klar pro-russisch waren, signalisiert die aktuelle Berichterstattung eine zunehmend westliche Ausrichtung der öffentlichen Meinung. Damit wird der Weg geebnet für eine engere Zusammenarbeit mit der Ukraine – möglicherweise auch durch Waffenlieferungen oder Informationsaustausch. Die Außenministerien beider Länder haben bereits die Zusammenarbeit bei der humanitären Minenräumung abgestimmt, und der ukrainische Botschafter dankte Baku öffentlich für seine Unterstützung und verurteilte russische Einmischung.

Insgesamt ist dies weit mehr als nur ein diplomatischer Zwischenfall – es ist der Beginn einer tiefgreifenden geopolitischen Neuordnung im postsowjetischen Raum. Aserbaidschans vorsichtiger Schritt in Richtung Ukraine – die Lieferung von Minenräumtechnik – hat eine überzogene russische Reaktion ausgelöst, die die wachsende Unsicherheit des Kremls offenlegt. Moskau reagiert mit Leugnung der Staatlichkeit Aserbaidschans, ethnischer Propaganda und verdecktem militärischem Aufmarsch an der Grenze. Dabei geht es längst nicht mehr nur um Bergkarabach oder Gaslieferungen – Russland bereitet eine neue Front vor, um seine Einflusssphäre im Südkaukasus zu behaupten und ehemalige Verbündete vor die Wahl zu stellen: Neutralität – oder militärische Konfrontation.

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